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5 Jahre Selbstständigkeit – was habe ich gelernt?

Meine Güte – 5 Jahre. Wie im Flug vergangen! Es scheint kaum fünf Minuten her zu sein, dass ich mich am ersten Tag meiner Selbständigkeit mit meinem klapprigen alten Laptop hingesetzt habe, mich seltsam fühlte, weil ich keinen Anzug bei der Arbeit trug und Brainstorming über Firmennamen machte. Das war Sommer 2015. Das Ende des Jahres 2020 rückt näher, ich muss meinen Laptop wieder ersetzen, und es ist an der Zeit, über einige der Dinge nachzudenken, die mich die ersten 5 Jahre meiner Selbständigkeit gelehrt haben.

Ich war eine schlechte Mitarbeiterin

Es gibt nichts Besseres als die Selbstständigkeit, um einem den Spiegel vorzuhalten. Unter anderen bedeutet das, mit all seinen Schwächen als Mitarbeiter konfrontiert zu werden. In meinem Fall gab es viele. Als freiberufliche juristische Übersetzerin ist es ungeheuer schwer, genug zu verdienen, um meine Steuern, Sozialversicherungsbeiträge, Geschäftskosten und Gemeinkosten zu decken – geschweige denn all die anderen Kosten für „Luxusgüter“ wie Kleidung und Ausgehen. Ich bin beschämt, wenn ich zurück an mein Anspruchsdenken als Angestellte denke. Und wie ich eine Gehaltserhöhung für eine absolute Selbstverständlichkeit gehalten habe.

Wenn man selbstständig ist, versteht man wirklich wie viel alles kostet und wie viel man verdienen muss, um jede Investition zu rechtfertigen. Hätte ich gewusst, wie viel Geld meine Arbeitgeber zusätzlich generieren musste, um meine Anstellung zu begründen – hätte ich mich vielleicht anders verhalten.

[Fürs Protokoll: Ich wäre jetzt eine noch schlechtere Mitarbeiterin, wenn ich wieder in den normalen Büroalltag zurückkehren würde. Ich bin es nun so gewohnt, sämtliche Entscheidungen in Eigenregie zu treffen, ohne sie mit irgendjemandem abstimmen zu müssen, dass ich noch unbeherrschbarer als zuvor wäre. Aber das ist eine ganze andere Baustelle.]

Lass dich nicht von einem einzigen Kunden dominieren

Bei der Selbständigkeit gilt die gleiche Logik wie bei jeder Art von Anlagestrategie: Risiko streuen! Unterlässt du das, steht dir möglicherweise ein schwerer Fall bevor.

Ziemlich früh in meiner Selbstständigkeit fing ich an für einen Kunden zu arbeiten, der perfekt schien. Gut organisiert, kommunizierte professionell, hat mir interessante Arbeit gegeben und hat auch gut bezahlt. Bald trudelten die Projekte ein, eins nach den anderen. Für meine anderen Kunden blieb kaum noch Raum.

Das Leben war eine Zeit lang richtig entspannt! Aber es war ein Fehler, dass ich mich dermaßen von diesem Kunden dominieren ließ. So schnell wie der Kunde auftauchte, so schnell ist er wieder verschwunden. Mein Einkommen wurde von einem Tag auf den anderen um 60% reduziert. Ich musste mehr oder weniger von Null wieder anfangen und es dauerte Monate, bis ich das gleiche Einkommensniveau erreicht hatte. Nie wieder!

Heutzutage – auch wenn es verlockend ist, einfach ein Projekt nach dem anderen vom gleichen Kunden zu übernehmen – bemühe ich mich nach Kräften darum, dass andere Kunden auch Aufmerksamkeit erhalten und mein Kundenportfolio diversifiziert ist. Manchmal bedeutet das, ein gut bezahltes Projekt abzulehnen. Wenn das jedoch der Stabilität meines Unternehmens dient, ist es in Ordnung.

Mehrere Einkommensquellen haben

Genauso wie es wichtig ist, mein Kundenportfolio diversifiziert zu halten, ist es auch ratsam, nicht alles auf eine Karte zu setzen, was die angebotenen Dienstleistungen betrifft. Recht bald nach dem Anfang meiner Tätigkeit als selbständige juristische Übersetzerin, musste ich feststellen, dass maschinelle Übersetzungstechnologien langsam die Branche zerstören.

Wenn die Auftragslage noch gut ist, ist es ganz leicht, die für die eigene Existenz bestehenden Risiken auszublenden und mit dem Strom zu schwimmen. Das ist aber nicht ratsam – es sei denn, du willst unbedingt eine große, sehr stressige existenzielle Krise haben, wenn die Arbeit auf einmal verschwindet und du keinen Plan B hast.

Mein Partner (auch selbstständig) gab mir den folgenden Ratschlag: dein Tag als Selbstständige soll (idealerweise) aus 50% bezahlter Arbeit und 50% Geschäftsentwicklung bestehen. Das ist zwar nicht jeden Tag möglich (bei Übersetzungsprojekten sitzt man in der Regel von morgens bis abends auf dem Hintern und tippt und tippt bis sie fertig sind), aber der Ratschlag war ein guter und ich wünsche mir, ich hätte ihn viel früher beherzigt.

Ich brauchte Zeit, um ein paar Dinge auszuprobieren und die richtige Idee für ein zweites Standbein zu finden. Ich habe aber auch sehr viel Zeit verplempert, geriet zu oft in die Komfortzone und strengte mich über Monate gar nicht mehr an. Als Selbstständige muss man sich unbequem machen – so schafft man Fortschritt.

Eine andere Art von Stress

Selbständigkeit ist hart und stressig, und – besonders wenn man in der privaten Wohnung arbeitet wie ich – ist im Kopf dauerpräsent. Aber es ist nicht zu vergleichen mit der Art und Weise, wie man sich in einem harten, stressigen Beruf fühlt, der einen auch nach Hause begleitet und Tag und Nacht die Gedanken auffrisst.

Dieses Unternehmen gehört mir und nur mir. Ich habe ich mich damit identifiziert und ich alleine bin dafür zuständig. Ich habe mich nie so sehr über die alles verzehrende Natur der Selbständigkeit geärgert, wie ich es bei meinen früheren Jobs getan habe. Als Angestellte hatte ich immer das Gefühl, mir wird irgendwas gestohlen. Mein Gehalt kam mir vor wie Schadenersatz für die Lebenszeit, die ich im Büro verlor. Vielleicht habe ich nie den richtigen Job gefunden. Die Selbstständigkeit hat aber definitiv meinem Arbeitsleben einen Sinn gegeben – das ist der Unterschied.

Die Selbstständigkeit ändert die gesamte Lebenseinstellung

Als ich diese Reise in die Selbständigkeit begann, wusste ich, dass sie mein Leben verändern würde. Ich wusste, dass es eine ganz andere Sache sein würde, mein eigenes Ding zu machen, meine eigenen Ideen von der Konzeption bis zur Verwirklichung zu bringen – ohne Garantie auf eine Bezahlung am Monatsende oder eine IT-Abteilung, die meine Computerprobleme in Ordnung bringen würde.

Soviel war mir klar. Worauf ich nicht ganz vorbereitet war, war die Art und Weise, in der die Selbständigkeit meine Einstellung zum Leben – und zu den Menschen – völlig verändern würde. Jeden Tag die Verantwortung eines Unternehmens übernehmen zu müssen; täglich mit großen und kleinen Problemen umzugehen; Risiken abzuwägen, zu reduzieren oder einfach mit ihnen zu leben… all das hat meinen Blick auf das Leben geändert.

Jemanden über eine kleine Intrige oder einen Rückschlag im Büro jammern hören? Oder dass der Staat ihn/sie nicht vor irgendwelchem Risiko oder Unglück schützt? Wenn ich sowas höre geht es mir so, wie es den Eltern von Kleinkindern gehen müsste, wenn jemand ohne Kinder zu ihnen sagt: „Oh, ich bin heute so müde – ich habe letzte Nacht überhaupt nicht gut geschlafen“. Du Ärmster! Ich habe schlicht keine Zeit dafür.

Die Selbständigkeit versetzt einen in eine völlig andere Biosphäre, in der man sich anpassen müssen, um zu überleben. Und – ganz ehrlich – es ist oft einfacher, Zeit mit Gleichgesinnten zu verbringen, die genau das Gleiche durchmachen.

Es ist schwierig und macht mich oft wahnsinnig…aber ich würde es nie ändern

Ich würde nie wieder in einem Büro arbeiten gehen – nicht für all den Tee in China. In einem wöchentlichen „Jour Fixe“ zu sitzen und mir jedes uninteressante Stückchen Bürokratie anzuhören, mit dem der Kollege seine Woche verbracht hat, für mich aber keinerlei Bedeutung hat? Energie aufzuwenden, um Büropolitik zu vermeiden, am Ende aber sowieso in sie hineingezogen zu werden, weil sie meine Arbeit behindert? Bis zu einer bestimmten Uhrzeit im Büro sitzen zu müssen – nicht, weil ich etwas Bestimmtes oder Dringendes zu erledigen habe, sondern weil es gern gesehen wird?

Sicher nicht. Die Selbstständigkeit bietet einfach zu viele Vorteile an. Ich kann selbst entscheiden, wann und wo ich arbeite. Ich kann jeden Aspekt meines Geschäfts bestimmen, vom Namen und Logo bis hin zur Vermarktung meiner Dienstleistungen und dem Aufbau zusätzlicher Einkommensquellen. Die Freiheit überwiegt bei weitem die Schwierigkeiten, die Selbstzweifel und die kleinen Anflüge von Neid, wenn Freunde monatlich fette Gehaltspakete von Jobs mit Titeln wie „Leiter von…“ und „Vizepräsidentin von…“ mit nach Hause nehmen, während ich im selben Monat insgesamt EUR 120 verdiene.

Ich würde nie etwas daran ändern.

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Autor:

Katharine Eyre
Gründerin von RiskPlayWin | Inhaberin & Gründerin des juristischen Übersetzungsbüros Spezialis

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