Ich bin seit fast einem Jahrzehnt selbständig. In dieser Zeit hatte ich das Privileg, viele Menschen kennen zu lernen, die den Schritt in die Selbstständigkeit gewagt haben. Viele haben es geschafft, viele sind aber auch gescheitert. Überraschend war für mich, dass es oft genau die gleichen Muster waren, die zum Scheitern führten. Deshalb möchte ich hier die wichtigsten zusammenfassen, damit andere daraus lernen können und nicht die gleichen Fehler machen. Denn am Ende des Tages ist die Selbstständigkeit eine unglaublich erfüllende Sache und ich wünsche jedem, dass der Schritt in die Selbstständigkeit gelingt.
1. Keine finanziellen Rücklagen
Bevor man sich selbständig macht, sollte man über ein gewisses finanzielles Polster verfügen. Der Grund dafür ist, dass die Selbstständigkeit in der Regel nicht vom ersten Tag an läuft und man eine gewisse Zeit für den Aufbau benötigt. Im Idealfall sollte man so viel Geld angespart haben, dass man zumindest zwei Jahre lang privat und geschäftlich über die Runden kommt. Deshalb ist es gut, vor dem Schritt in die Selbstständigkeit die eigene finanzielle Situation zu bewerten, die privaten Ausgaben genau zu analysieren und zu kalkulieren, welche Ausgaben auf der geschäftlichen Seite in den ersten beiden Jahren anfallen. Bei all diesen Berechnungen sollte immer ein Puffer für Unvorhergesehenes eingeplant werden.
2. Fehlende Fokussierung auf Kunden
Bei der Selbständigkeit geht es nicht in erster Linie darum, einer Leidenschaft nachzugehen, sondern darum, ausreichend Geld zu verdienen. Ansonsten spricht man von einem Hobby. Um ausreichend Umsatz generieren zu können, ist es unerlässlich, den Kunden in den Mittelpunkt zu stellen. Denn nur wenn man potenzielle Kunden interessiert, überzeugt und dann begeistert, kann man ein solides und nachhaltiges Geschäft aufbauen.
3. Zu optimistische Kalkulationen
Aller Anfang ist schwer. Deshalb sollte man konservativ kalkulieren. Denn je optimistischer man kalkuliert, desto größer ist das Risiko, dass der Plan nicht aufgeht und die Selbstständigkeit scheitert. Außerdem ist es viel motivierender, wenn man seine Ziele erreicht, als wenn sie durchgehend unerreichbar zu sein scheinen.
4. Keine Abgrenzung zum Mitbewerb
Es gibt kaum ein Unternehmen, das keiner Konkurrenz ausgesetzt ist. Die meisten Selbständigen bewegen sich sogar in recht dichten Märkten. Das ist nicht schlimm und man kann auch dort genügend Geschäft generieren. Wichtig ist jedoch, dass man sich von den Mitbewerbern abgrenzt und unterscheidet. Man sollte sich also fragen: Was kann ich besser machen als die anderen? Was kann ich anbieten, was andere nicht können? Wie kann ich mich spezialisieren und eine eigene Nische schaffen?
5. Sich unter dem Preis verkaufen
Es gibt keinen Grund, sich zu Beginn der Selbständigkeit unter Preis zu verkaufen, wenn man über das nötige Know-how verfügt oder ein hervorragendes Produkt hat. Außerdem muss man bei der Preiskalkulation berücksichtigen, dass man u.a. Steuern, externe Kosten, laufende Geschäftskosten, Verwaltungsaufwand und Rücklagen für turbulente Zeiten abdecken muss. Tut man dies nicht, läuft man Gefahr, viel zu arbeiten, wenig zu verdienen und bei der kleinsten Krise aus der Bahn geworfen zu werden. Aus diesem Grund ist der Stundensatz als Selbständiger um ein Vielfaches höher als in einem Angestelltenverhältnis.
6. Nicht auf Experten vertrauen
Als Selbständiger kann man nicht in allen betriebswirtschaftlichen Disziplinen gut sein. Daher ist es oft von Vorteil, externe Experten zu beauftragen, wenn man selbst nicht über das entsprechende Fachwissen verfügt. Das spart Zeit, reduziert Risiken und man hat die nötige Energie und Zeit, um sich auf das eigene Geschäft zu konzentrieren.
7. Geld für ineffiziente Werbung ausgeben
Leider gibt es viele Bauernfänger, die versprechen, dass man mit ihrer Werbemethode in kurzer Zeit viel Geschäft machen kann. Das klingt oft gut, kostet aber meist viel Geld und bringt nichts. Um mit Werbung Erfolg zu haben, ist es wichtig, die Zielgruppe möglichst genau zu erreichen und sie dann mit den richtigen Argumenten vom eigenen Angebot zu überzeugen. Wie das in der Praxis aussieht, ist von Unternehmen zu Unternehmen unterschiedlich und erfordert individuelle Lösungen. Auf dem Markt gibt es viele erfahrene Werbeprofis, die sich mit wirkungsorientierter Werbung auskennen. Die guten erkennt man daran, dass sie nicht das Blaue vom Himmel versprechen, sondern Chancen und Risiken aufzeigen und den gesamten Akquisitionsprozess betrachten, statt sich nur auf die Werbung an sich zu konzentrieren. Denn Kundengewinnung ist ein komplexer Prozess, der beginnt, wenn man die Werbung zum ersten Mal sieht, und frühestens endet, wenn man einen neuen Kunden gewonnen hat.
8. Sich dauernd beschweren, statt Probleme anzupacken
In der Selbstständigkeit steht man direkt an der Front und wird tagtäglich mit allerlei Problemen konfrontiert. Statt sich dauernd darüber zu beschweren und darauf zu warten, dass sich die Probleme von alleine lösen, muss man die Probleme selbst anpacken und Lösungen finden. Selbstständigkeit ist letztendlich wie ein Spiel indem man einen Weg finden muss, um einen Schritt weiterzukommen.
9. Reine Rücklagen bilden
Nach der ersten Aufbauphase werden sich irgendwann die ersten Erfolge einstellen und man wird oft mehr Geld verdienen als je zuvor. Man darf aber nicht vergessen, dass es in der Selbständigkeit nicht nur erfolgreiche Zeiten gibt, sondern dass man auch durch stürmische Zeiten navigieren muss. Das heißt nicht, dass man Erfolge nicht genießen soll. Man sollte aber darauf achten, genügend Rücklagen zu bilden, damit man auch dann noch durchhalten kann, wenn es mal ungemütlich wird. Rücklagen sind letztlich Freiheit, die man sich als Selbständiger kauft. Je mehr Rücklagen man hat, desto freier und unabhängiger ist man. Und das ist ein wirklich tolles Gefühl.
10. Planloses Arbeiten
Viele vermeintliche Coaches predigen, man solle auf sein Bauchgefühl hören und in den Tag hinein leben. In der Selbstständigkeit geht diese Rechnung selten auf. Wichtig ist, dass man einen Plan hat, wie man sein Ziel erreichen will und auch die Zwischenschritte plant. Unterwegs sollte man immer wieder evaluieren, ob alles so funktioniert wie geplant, ob man im Zeitplan liegt, ob die Zahlen passen und wo man gegebenenfalls nachjustieren muss.
11. Keine Konzentration
Der Aufbau eines eigenen Unternehmens erfordert Konzentration und viel Energie. Wer zu viel auf einmal anpackt oder Zeit mit Unwichtigem vergeudet, wird gebremst, macht Fehler und riskiert zu scheitern. Ich selbst arbeite seit vielen Jahren immer wieder in Deep Dives, in denen ich sehr konzentriert an einer einzigen soliden Aufgabe arbeite, bis sie erledigt ist und ich mir die Zeit nehme, die sie braucht. In diesen Arbeitsphasen vermeide ich Ablenkungen und gönne mir Pausen, in denen sich meine Gedanken frei bewegen können. So komme ich schneller voran und habe am Ende einer Arbeitssitzung wirklich etwas Handfestes geleistet.
12. Überarbeitung
Niemand kann tagtäglich 16 Stunden ununterbrochen arbeiten. Das führt früher oder später in den Abgrund. Körper und Geist brauchen Pausen, um sich zu erholen. Auszeiten und Pausen sind wichtig, um nicht auszubrennen. Denn wer ausbrennt, setzt alles aufs Spiel, was er sich in seiner Selbstständigkeit aufgebaut hat und riskiert zudem seine Gesundheit.
13. Über die Verhältnisse leben und wirtschaften
Gleich im ersten Monat der Selbstständigkeit einen Porsche zu leasen, ein Büro zu mieten und italienische Büromöbel zu bestellen, geht in der Regel schief. Bis man ein solides und stabiles Geschäft aufgebaut hat, sollte man bescheiden bleiben. So reduziert man finanzielle Risiken, hat mehr Möglichkeiten Geld in Wachstum zu investieren und kann längere Durststrecken überstehen. Unnötige Ausgaben sind Ballast und können zu erheblichen finanziellen Risiken führen.
14. Keine Flexibilität
Selbständigkeit ist ein strategisches Spiel. Um erfolgreich zu sein, muss man flexibel genug sein, Pläne zu ändern, plötzlich auftretende Chancen zu nutzen und Gefahren auszuweichen. Hält man zu sehr an der ursprünglichen Geschäftsidee fest, kann man sich dem Markt und den Gegebenheiten nicht anpassen und läuft Gefahr zu scheitern.
15. Amateurhaftigkeit statt Professionalität
Selbständigkeit ist kein Hobby. Daher muss Professionalität im Vordergrund stehen. Sei es in der Außendarstellung oder im Angebot bzw. in der Leistung selbst. Denn Professionalität schafft Vertrauen, Zufriedenheit und Effizienz. Alles wichtige Parameter, wenn es um wirtschaftlichen Erfolg geht. Professionalität darf aber nicht in ungesunden Perfektionismus ausarten, denn der kann ebenso gefährlich sein.
16. Zu früh Leute einstellen, statt auf freie Mitarbeiter zu setzen
Eigene Mitarbeiter können eine großartige Sache sein, wenn das Geschäft stabil und gut läuft. Die Einstellung fester Mitarbeiter ist jedoch mit erheblichen Kosten und potenziellen Risiken verbunden. Daher empfiehlt es sich, zu Beginn der Selbstständigkeit mit freien Mitarbeitern / Freelancern zu arbeiten. Diese sind zwar in der Regel mit höheren Kosten verbunden, bieten aber im Gegenzug eine größere Flexibilität.