Nach dem er sein Ph.D. in Molekularbiologie abschloss, entschied sich Matthias Hombauer (36) seinen beiden Leidenschaften Musik und Fotografie zu folgen und machte sich als Rockstarfotograf selbstständig. Darüber hinaus gründete er “How To Become A Rockstar Photographer”, eine weltweite Plattform, die Menschen hilft, Konzertfotograf zu werden.
Du hast eine recht ungewöhnliche Berufslaufbahn; nach einem Doktorat in Molekularbiologie bist du Konzertfotograf geworden. Wie kam es zu diesem Wechsel?
Nach einigen frustrierten Jahren als Doktorand, bin ich zum Entschluss gekommen, dass das Leben für die Wissenschaft nicht mein Herzenswunsch ist. Dabei habe ich bemerkt, dass es dem Großteil meiner Kollegen ähnlich ergangen ist. Du studierst 9-10 Jahre, um einen Titel zu haben, der dich schlussendlich vielleicht gar nicht glücklich macht. Der Großteil der Menschen traut es sich aber in diesem Stadium nicht mehr, etwas ganz Neues zu beginnen. Zu groß sind die Angst und der soziale Druck.
„Aus dem alten System herauszubrechen“ erfordert viel Mut und Courage. Wie lange dauerte es, deine Entscheidung zu treffen?
Bei mir dauerte der Entschluss, der Wissenschaft den Rücken zu kehren und selbstständiger Fotograf zu werden ca. 2 Jahre. Es machte mich wahnsinnig. Jeden Tag dachte ich, was ich nur tun soll. Entweder ich gehe mit dem Strom und bin mein Leben lang unglücklich, oder ich breche aus dem 9-5 Hamsterrad und starte etwas ganz Anderes.
Kannst du dich noch an den Moment erinnern, wo die Entscheidung letztendlich gefallen ist? Wie ging es dir dabei?
Nachdem ich sehr lange darüber nachgedacht habe, habe ich den Entschluss für mich getroffen, dass ich mein Doktorat abschließe, da ich auch eine gewisse Sicherheit haben wollte. Aber ich sagte mir auch, dass ich am Tag meines Abschlusses endlich “frei” sein werde, um meiner Leidenschaft zu folgen. Nach meiner bestandenen Doktoratsprüfung ist die ganze Last der letzten Jahre von mir abgefallen, weil ich wusste: jetzt beginnt mein neues Leben.
Wie bist du mit dem Übergang zurechtgekommen? Gab es Zweifel oder Momente, wo du Angst hattest, die falsche Entscheidung getroffen zu haben?
Die gab es auf jeden Fall. Vor allem am Beginn der Selbstständigkeit ist man mit vielen neuen Situationen schnell überfordert. “Wo bekomme ich meine Klienten? Wie verkaufe ich mich als Fotograf? Wie soll ich nur meine nächste Miete bezahlen”? Ich kann mich gut erinnern, dass ich immer wieder Phasen hatte, wo ich einfach nicht mehr wusste, ob es die richtige Entscheidung war und an mir selbst zweifelte. Dank meiner Familie und meiner Verlobten, die mich immer unterstützten und aufgebaut haben, habe ich diese Zeiten aber gut überstanden. Ich kann nur jedem den Tipp geben: bleibt standhaft und gebt nicht gleich auf. Es dauert, um sich in der neuen Situation zurecht zu finden.
Wie schaust du jetzt auf die herkömmliche Arbeitswelt zurück?
Ehrlich gesagt tun mir Menschen leid, die einen Job haben, der sie nicht erfüllt. Es gibt Studien, die zeigen, dass der Großteil der Menschen unzufrieden sind mit ihrem Job. Sie arbeiten für wenig Geld, haben kaum Zeit, sich ihrer Familie zu widmen. Der Leistungsdruck in der Arbeit steigt stetig an.
Viele werden jetzt vielleicht sagen: “Ja, so ist das Leben. Nichts ist einfach und jeder muss seine Opfer bringen”. Ich hatte das gleiche Gefühl in meinem alten Job, aber ich weiß jetzt wie es sein kann, seine eigenen Projekte zu realisieren, selbst bestimmen zu können mit wem man zusammenarbeitet, und der eigenen Kreativität freien Lauf zu lassen.
Ja, ich arbeite mehr Stunden als je zuvor, aber ich liebe meinen Job als Rockstarfotograf und Online-Entrepreneur. Diese Arbeit hat sich in den letzten 3 Jahren kein einziges Mal nach “Arbeit” angefühlt.
Woher kam deine Leidenschaft für die Musik und Fotografie?
Musik war schon immer eine meiner Leidenschaften. Das fing an nachdem ich mit 13 Jahren mein erstes Guns’n’Roses Konzert besuchte. Ich habe anschließend Gitarre spielen gelernt und hatte meine eigene Death Metal Band. Leider war zu dieser Zeit unser Publikum noch nicht bereit für uns und wir trennten uns nach einigen Jahren. Die Fotografie entdeckte ich erst mit 28 Jahren – das war auch der Beginn meiner Karriere als Konzertfotograf.
Was macht ein tolles Rock-Konzert aus?
Ein tolles Rockkonzert macht für mich aus, wenn die Energie auf der Bühne ins Publikum überschwappt. Es gibt leider sehr viele Bands, die kaum mit ihren Fans interagieren und einfach ihr Set abspielen. Ich finde das Schade und bei den heutigen hohen Ticketpreisen ist das eigentlich unfair für die Fans. Ich denke, man sollte als Zuseher nach dem Konzert mit einem guten und freudigen Gefühl nach Hause gehen. The Flamingo Lips machen das zum Beispiel sehr gut.
Du machst nicht nur Fotos von Konzerten, sondern auch Porträts von den Musikern. Das erfordert eine gewisse Chemie zwischen Fotograf und Künstler. Wie geht man ein solches Shooting an?
Porträts von Künstlern vor dem Konzert ist eine der schwierigsten Situationen überhaupt. Die Musiker sind angespannt, es gibt nur beschränkte Möglichkeiten, Bilder zu machen (man kann den Künstler nicht vor dem Club wo die Fans warten fotografieren) und der Zeitdruck ist enorm. Bei dem Porträt von The Prodigy habe ich nur zwei Fotos gemacht. Dann war die Zeit gekommen, dass die Band auf die Bühne stürmte und das Konzert begann. Am besten ist es, einen kühlen Kopf zu bewahren und sich auf die eigene Arbeit zu konzentrieren. Hinzu kommt oft auch, dass man selbst nervös ist, wenn man Small Talk mit seinen Idolen halten muss.
Neben deiner Tätigkeit als Fotograf hilfst du mit deiner Online-Akademie auch Menschen, den Schritt in die Konzertfotografie zu ebnen. Was hat dich motiviert, dein Insiderwissen an andere weiterzugeben?
Richtig. Ich habe vor 2,5 Jahren mein Projekt “How To Become A Rockstar Photographer”, als persönlichen Blog gestartet. Mittlerweile ist dieses Projekt zu einer weltweiten Plattform geworden, die Menschen hilft, Konzertfotograf zu werden. Im Jänner 2016 habe ich die erste Online-Academy für Konzertfotografie, “Shooting The Rockstars”, gestartet. Mit über 70 internationalen Studenten im Kurs habe ich mir meinen Traum erfüllt, mein Wissen an andere weiterzugeben. Meine Motivation dahinter ist es, Menschen zu zeigen, dass es möglich ist, seinen Traum zu leben – egal wie alt man ist oder welchen sozialen Hintergrund man hat.
Gibt es bestimmte Fotos auf die du besonders stolz bist?
Es gibt einige Fotos die mir gut gefallen, aber ich denke das “Money Shot” von Miley Cyrus ist eines meiner Favoriten.
Was ist das Beste an deiner Arbeit? Gibt es etwas, was dir nicht gefällt?
Das Beste ist, dass ich mittlerweile meine eigenen Projekte realisieren kann. Wenn mir etwas nicht gefällt, dann versuche ich die Situation rasch zu beheben. Daher gibt es momentan nichts, was mich stört. Einzig und alleine die richtige Zeiteinteilung kann unter Umständen eine Herausforderung sein.
Du bist auf Facebook, Twitter & Co regelmäßig aktiv und kommunizierst sehr offen und intensiv mit deinen Fans. Welche Rolle spielen die sozialen Medien für dein Business?
Ich habe letztens ein Zitat von Austin Klon gelesen der sagte. “If you’re not online, you don’t exist” (Deutsch: “wenn man nicht online ist, existiert man nicht”). Ich kann diesem Zitat nur zustimmen. Alle Projekte – sei es meine Zusammenarbeit mit Instagram, mein Sponsorship von Converse oder meine letzte Musik Ausstellung in Buenos Aires – waren alle nur möglich, weil ich in den sozialen Medien aktiv bin. Facebook und Instagram sind mittlerweile die Hauptkanäle wo ich meine Fans erreiche.
Dauernd neue Aufträge, eine wachsende Fangemeinde, immer wieder positives Feedback…du könntest dich jetzt etwas zurücklehnen und den Erfolg genießen. Wirst du das machen, oder hast du schon neue Ideen und Pläne, die du umsetzen möchtest?
Nein, das werde ich nicht machen (lacht). Ich habe das Gefühl, dass How To Become A Rockstar Photographer mit über 5000 Newsletter Abonnenten und meinen Social Media Followers (Facebook Fanpage: 8100, Instagram: 8200 und Twitter:3000) gerade am Durchstarten ist. Daher wäre es auch jetzt nicht der richtige Zeitpunkt, um ausruhen.
Ich werde Ende September die erste Ausgabe meines neuen Magazins herausgeben. Dabei habe ich auf Instagram aufgerufen, dass Konzertfotografen ihre Fotos mit #htbarp (How to Become a Rockstar Photographer) taggen, um eine riesige Konzertgalerie zu erzeugen. Über 14 000(!) Konzertfotos sind in nur 3 Monaten zusammengekommen. Ich liebe es, Projekte mit meiner Community zu machen, die ich selbst nie zustande bringen würde.
Schließlich steht mein Podcast auch bereits in den Startlöchern und ich freue mich schon sehr darauf.
Es gibt bekanntlich eine große Kluft zwischen einer privaten Leidenschaft und einem guten Gründungskonzept. Welche drei Ratschläge würdest du anderen Menschen geben, die sich überlegen, ihr Hobby zum Beruf zu machen?
Wie man an meinem Beispiel sieht liegen Leidenschaft und ein gutes Gründungskonzept sehr wohl nahe beieinander. Trotzdem sind aus meiner Sicht die folgenden Überlegungen bei der Entscheidung wichtig:
- Sich zuerst gut überlegen, welche Nische sie bedienen möchte. Je enger die Nische, desto besser. Ein allgemeines Kochbuch zu schreiben und damit Erfolg zu haben wird schwer sein. Hingegen die 20 besten Frühstücksrezepte für Veganer, die in 5 min fertig sind, eröffnet eine Nische, die noch nicht so besetzt ist und mehr Erfolg verspricht.
- Sich zuerst ein finanzielles Sicherheitspolster aufbauen. Ich würde niemandem empfehlen, einfach morgen seinen 9-5 Job zu kündigen ohne ein Mindestmaß an finanzielle Sicherheit. Wenn man schon mit finanziellen Nöten startet, kann das nicht lange gut gehen. Daher vorher etwas ansparen, bevor man den Schritt in die Selbstständigkeit wagt, denn Geld wird in den ersten Monaten kaum zu verdienen sein.
- Hartnäckig bleiben und einen langen Atem haben. Das ist vielleicht die wichtigste Eigenschaft, die man als Selbständiger entwickeln muss. Ich liebe das Beispiel vom App Erfolgsgams Angry Bird. Jeder kennt und spielt es, aber niemand weiß, dass es das 52.(!) Spiel einer schwedischen Entwicklungsfirma war. Hätten diese bei den ersten 51 Fehlschlägen aufgegeben, würden sie nicht diesen Erfolg haben. Es wird harte Zeiten geben und es wird gute geben. Die Kunst ist, die schlechten Zeiten zu überstehen, um sich auf die guten Zeiten zu freuen.
Vor kurzem bist Du zum ersten Mal Vater geworden – Gratulation! Was möchtest du deinen Kindern weitergeben betreffend ihre Berufsauswahl/Selbstständigkeit?
Das ist eine sehr gute Frage und ich habe sie letztens mit meiner Verlobten darüber diskutiert. Ich denke die Zeit ist vorbei, wo man mit einem abgeschlossenen Studium einen Job bekommt. Egal was man studiert hat – Fakt ist, dass es zu viele Absolventen für die gleichen wenigen Jobs gibt. Das führt dazu, dass wir eben in dieser sogenannten „Generation Praktikum“ leben, wo es selbstverständlich ist, dass man zuerst gratis arbeitet, bevor man überhaupt die Chance auf eine Anstellung bekommt.
Ich denke auch, dass wir in Österreich wirklich noch in einem “Land der Seeligen” leben, wo Bildung fast gratis angeboten wird. In Amerika oder England sieht das anders aus und Menschen werden von vornherein in eine finanzielle Abhängigkeit durch ihre Studentenkredite getrieben.
Die Frage ist: wie lange funktioniert dieses System noch und wann ist es soweit wo Menschen sagen “das lassen wir nicht mehr mit uns machen”?
Ich habe für mich die Entscheidung getroffen, dass ich mich aus dem System “ausklinke” und meinen Erfolg selbst in die Hand nehme. Diese Denkweise habe ich mir in den letzten Jahren angeeignet und lerne immer mehr Menschen kennen, die es satt haben in einem System zu dienen, das dir sagt “jetzt arbeitest du mal 45 Jahre und deine Leidenschaft kannst du in deiner Rente ausleben”. Ohne mich!
Ich möchte meiner Tochter diese Denkansätze mit auf dem Weg geben und ich werde sie auf jeden Fall bei all ihrem Tun unterstützen. Ich bin mir sicher, sie wird auch ihren eigenen Weg finden, um ihre Leidenschaft zum Beruf zu machen.
RiskPlayWin dankt Matthias für das Interview und wünscht ihm noch alles Gute für seine künftigen Projekte!
Fotos: Matthias Hombauer